Der Netzwerkversuch – Ein neuer Ansatz für die Praxisforschung
Praxisforschung ist ein geeigneter Ansatz, um praxisrelevante Fragestellungen unter Praxisbedingungen auf landwirtschaftlichen Betrieben zu untersuchen: beispielsweise zum Nährstoffmanagement im ökologischen Landbau. Landwirt*innen, die Praxisversuche auf ihren Betrieben durchführen, stehen vor der Herausforderung, Feldversuche in ihren Betriebsalltag zu integrieren. Diese Versuche sollen zugleich wissenschaftlichen Anforderungen (räumliche Wiederholung und Randomisierung) genügen. Um den Aufwand für die Versuchsdurchführung für jeden einzelnen Betrieb zu reduzieren und dennoch statistisch auswertbare Ergebnisse zu erzielen, wird im Rahmen des NutriNet-Projekts eine neue Methode entwickelt und getestet: Der Netzwerkversuch. Für die Erprobung der Methode wurde die N-Dynamik nach dem Umbruch mehrjähriger Futterleguminosen zu unterschiedlichen Terminen untersucht.
Versuchsmethodik
Der einzelne Betrieb bzw. Versuchsstandort kann per Definition als Demonstrationsversuch, also als nicht wiederholte Streifenanlage, angesehen werden. Grundsätzlich fehlen in einem Demonstrationsversuch die räumlichen Wiederholungen der Prüffaktoren, sowie die voll randomisierte Anlage ebenjener. Ziel ist es, Betriebe so zu Clustern zusammenzufassen, dass jeder einzelne Betrieb als eine räumliche Wiederholung innerhalb des Clusters gewertet werden kann, sodass die im Versuch erfassten Daten eines Clusters wie bei einer komplett randomisierten Versuchsanlage statistisch ausgewertet werden können.
Unter der Annahme, dass es möglich ist, Betriebe mit vergleichbaren Standortfaktoren als Gruppen zu clustern und auf diese Weise jedes Cluster als einen Versuchsstandort zu betrachten, wurde folgende Methodik erarbeitet:
Die Zuordnung der Betriebe zu einem Cluster und die Überprüfung der Cluster erfolgt in mehreren Schritten:
- Clusterung nach Standortfaktoren (Betriebsangaben)
- Absicherung der Clusterung nach Bodentextur
- Versuchsdurchführung
- Überprüfung der Clusterung auf Basis der tatsächlichen Witterung während des Versuchszeitraums
Clusterung
Wie in der Abbildung 1 dargestellt, werden von allen potenziellen Versuchsstandorten folgende Daten ermittelt:
- Temperatur °C (langjähriges Monatsmittel)
- Niederschlag in mm (langjähriges Monatsmittel)
- Bodenart auf dem Versuchsfeld (VDLUFA aus betriebseigenen Bodenproben).
Die einzelnen Standorte werden basierend auf der biologisch aktiven Zeit für die Mineralisierung organischer Substanz verglichen. Diese resultiert aus den Bodeneigenschaften sowie den klimatischen Gegebenheiten und wird mit Hilfe der aus dem Candy-Carbon-Balance-Modell (CCB-Modell) stammenden Gleichung zur „Wirksamen Mineralisierungszeit (WMZ)“ berechnet (vgl. Franko 1997). Die Gleichung gibt an, wieviel Zeit (in Tagen d) in einem Jahr unter optimalen Laborbedingungen benötigt wird, um bei bestimmten Standortbedingungen die gleiche Mineralisationsleistung wie im Freiland zu erzielen (vgl. Franko 1997).
Gleichung (1):
WMZ (FAT, LTEM, NIED) = P0(FAT) + P1(FAT) * LTEM + P2(FAT) * NIED
FAT = Feinanteil in %
NIED = jährliches Niederschlagsmittel
LTEM = jährliches Temperaturmittel
Da es unter bestimmten klimatischen Umständen in Kombination mit bodenphysikalischen Gegebenheiten (Porenvolumen) auch zu einem Stopp der biologischen Aktivität kommen kann, wird für die Clusterung die monatlich wirksame Mineralisierungszeit herangezogen. Um diese zu bestimmen, wir die Gleichung wie folgt erweitert:
Gleichung (2):
WMZ (FAT, LTEMMonat, NIEDMonat) = (P0(FAT) + P1(FAT) * LTEMMonat + (P2(FAT) * NIEDMonat * 12)) / 12
NIEDMonat = monatliches Niederschlagsmittel
LTEMMonat = monatliches Temperaturmittel
Zur Bildung der Cluster wird die K-Means-Methode angewendet. Dabei wird im Vorfeld die Clusteranzahl festgelegt. Zudem wird die Regel aufgestellt, dass ein Cluster nur zulässig ist, wenn es mindestens vier Standorte umfasst. Die K-Means-Clusterung wird anhand der berechneten 12 Werte der monatlich wirksamen Mineralisierungszeit in Excel durchgeführt.
Versuchsanlage
Für eine maximale Praktikabilität soll der Netzwerkversuch den Einsatz betriebsüblicher Technik ermöglichen. In der Regel bietet sich eine Streifenanlage an, da diese die Versuchsdurchführung (Behandlungen etc.) erleichtert und wenig potenzielle Fehlerquellen aufweist. Um den Aufwand zur Erfassung äußerer Einflussfaktoren (Störfaktoren) sowie zur Erhebung von Versuchsparametern zu reduzieren, werden in jedem Versuchsstreifen (Streifenparzelle) sogenannte Probenahmeparzellen festgelegt. Damit diese in Bezug auf ihre Bodeneigenschaften möglichst homogen sind, werden sie anhand einer visuellen Einschätzung der Vegetation ausgewählt. Im durchgeführten Umbruchversuch, dessen Versuchsplan beispielhaft in Abb. 2 dargestellt ist, wurde bei der Einschätzung insbesondere der Leguminosenanteil berücksichtigt.
Absicherung der Clusterung durch Texturanalyse
Sind die Probenahmeparzellen festgelegt, wird zur Überprüfung der Clusterung eine Texturanalyse des Bodens durchgeführt. Die sich aus den Texturanalysen ergebenden Feinanteile der jeweiligen Probenahmeparzellen können den interpolierten Faktoren (P0, P1 und P2) von Franko und Oelschlägel (1995) zugeordnet werden. Wird die vorhergehende Clusterung auf Basis der betrieblichen Angabe der Bodenart durch die Ergebnisse der Texturanalyse bestätigt, kann der Versuch auf den Standorten eines Clusters durchgeführt werden.
Erprobung und Methodik
Zur Validierung der beschriebenen Methode wird im NutriNet-Projekt aktuell ein Netzwerkversuch durchgeführt, bei dem die Auswirkungen unterschiedlicher Umbruchzeitpunkte mehrjähriger Futterleguminosen auf die N-Dynamik und den Ertrag der Folgekultur untersucht werden. Die Versuchsbeschreibung zum Netzwerkversuch finden Sie hier.
Autor*in
August Bruckner, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde
Ansprechpartner
August Bruckner
august.bruckner(at)hnee.de
Quellen
- Franko, Uwe (1997): Modellierung des Umsatzes der organischen Bodensubstanz. In: Archives of Agronomy and Soil Science 41 (6), S. 527–547
- Franko, Uwe und Oelschlägel, Burkhard (1995): Einfluss von Klima und Textur auf die biologische Aktivität beim Umsatz der organischen Bodensubstanz. In: Archives of Agronomy and Soil Science 39 (3), S. 155–163. DOI: 10.1080/03650349509365898.