Nachhaltiger Möhrenanbau auf begrünten Winterdämmen

1. Versuchsdurchführung

Der Versuch wurde im Versuchsjahr 2022 auf einem Betrieb des Regionetzwerks NRW durchgeführt.

2. Hintergrund

Im Produktionsverfahren für Möhren ist es üblich, vor der Saat Dämme zu ziehen und diese, nachdem sich der Boden abgesetzt hat, mit einer Gemüse-Einzelkornsämaschine zu bestellen. Auf leichteren Böden werden die Dämme nach einer Grundbodenbearbeitung im zeitigen Frühjahr gezogen (Sommerdämme), was einen Zwischenfruchtanbau vor dem Anbau von Möhren möglich macht.

Auf schwereren Böden ist dieser Ansatz jedoch risikobehaftet, da die Flächen im Frühjahr später befahrbar sind – hier wird die Grundbodenbearbeitung und das Dämmeziehen oft bereits im Herbst durchgeführt (Winterdämme). Allerdings sind Winterdämme aus Erosions- und Nährstoffsicht problematisch: Nach einer feinen Bodenbearbeitung liegt das Feld über Winter brach und ist der Winter-Witterung ausgesetzt. Da der Boden zudem im Herbst wärmer ist, kommt es beim Dämmeziehen zu dieser Jahreszeit zu einer stärkeren N-Mineralisation, die über den Winter zu N-Auswaschungen führen kann. Diese Auswaschungs- und Erosionsgefahr wurde im Versuch durch eine innovative Kombination mit Zwischenfruchtanbau auf den Winterdämmen auf ein Minimum reduziert.

Gleichzeitig hilft der Winterdamm dabei, Wasser und damit Bewässerungsgänge zu sparen: Über Winter setzt sich der Damm ab, es bilden sich Kapillaren aus, die eine Wasserversorgung bis an die Dammoberfläche ermöglichen. Dies begünstigt vor allem die Jugendentwicklung von Möhren. Der über Winter dichter gelagerte Damm kann jedoch zu optischen Mängeln (z.B. Verzweigung) bei Möhren führen.

Im vorliegenden Versuch wurde auf schwereren Böden ohne Beregnung getestet, wie sich der Anbau von Möhren auf Sommer- und begrünten Winterdämmen auf unterschiedliche Ertragsparameter und die Nährstoffversorgung der Möhren auswirkt. Um den Aufwand handhabbar zu halten, wurde der Versuch als nicht wiederholte Demoanlage angelegt.

3. Versuchsfrage

Wie wirkt sich der Möhrenanbau auf Sommer- bzw. begrünten Winterdämmen auf den Ertrag, die Sortierung und die Nährstoffversorgung der Möhren aus?

4. Versuchsaufbau

Standortbeschreibung
Boden-Klima-Raum133 – Warburger Börde
Höhenlage (m ü NN)2012
BodenartsL
Jahresniederschlag in mm700 mm
Bewässerung3x bzw. 4x 16 m3/ha (nur Dammkrone bewässert mit 6 l/m2)
Durchschnittstemperatur in °C9,9 °C
Ausgangslage auf der Versuchsfläche vor Versuchsanstellung
FruchtfolgeAckerbohne - Möhre
Düngungkeine
Pflegemaßnahmen2x bzw. 3x Abflammen, 3x gehackt
Bodenuntersuchungennicht vorhanden
Versuchsparameter
Versuchstyp*Demoanlage/Tastversuch: Einzelversuch (auf einem Betrieb)
AnlagetypStreifenenversuch
Prüffaktor/enBodenbearbeitungsverfahren
FaktorstufenSommerdamm, Winterdamm
Anzahl Wiederholungen1
PrüfmerkmaleErtrag, Sortierung, Nährstoffversorgung im Laub
Versuchszeitraum06/2021 bis 10/2021

* Eine Beschreibung verschiedener Versuchstypen und einiger Grundbegriffe der Versuchsanstellung finden Sie hier (pdf-Datei, 0,4 MB).

Verfahrensbeschreibung

Begrünte Winterdämme: Nach einer Ackerbohnen-Vorfrucht wurden die Winterdämme Mitte September mit einem Damm-Activator 300 (Fa. Frost Maschinenbau) unterlockert und gehäufelt. Mitte September wurde die Zwischenfrucht streifenförmig mit einer umgerüsteten Accord-Sämaschine mit zwei Sätanks gesät: Auf der Dammkrone (⅓ der Fläche) wurden 33 kg/ha der Mischung «Camena Wintergrün» ausgebracht, im Dammtal (⅔ der Fläche) 50 kg/ha einer Mischung aus Winter-Erbsen, -Wicken und -Ackerbohnen.  Alle weiteren Arbeitsschritte bis zur Saat sind im Folgenden mit Bildern dargestellt:

Ende April wurden zunächst die Dammtäler mit der Reihenfräse umgebrochen. Foto: Markus Rose, BioBörde GbR

Da der Übergang zwischen Dammkrone und Dammflanke im Vorjahr beim Umbruch problematisch war , wurden die Hakenmesser der Reihenfräse durch Winkelmesser ersetzt, die die Zwischenfrucht besser abschneiden und eine strukturierte Organik hinterlassen. Foto: Markus Rose, BioBörde GbR

Die winterharte Zwischenfrucht hinterließ einen garen Dammkörper mit vielen feinen Wurzelresten – damit wurde ein Ziel erreicht, das bei der Auswahl der Mischung für die Dammkrone im Fokus stand. Foto: Markus Rose, BioBörde GbR

Einige Tage nach Umbruch der Dammtäler wurde Anfang Mai auch die Zwischenfrucht auf den Dammkronen umgebrochen. Eine Flachfräse («Geohobel», Rath Maschinen) wurde so mit Stützrädern versehen, dass nur die oberen Zentimeter des Damms abgeschnitten wurden. Um die Erwärmung des Bodens zu gewährleisten, blieb das Feld liegen, bis der Damm nach etwa 20 Tagen (Ende Mai) mit der Reihenfräse aufgebaut wurde (Bild); die organischen Rückstände der Zwischenfrucht sind deutlich sichtbar. Foto: Markus Rose, BioBörde GbR

Um in der Frühsommertrockenheit einen feuchten Saathorizont herzustellen, wurde der Damm eine Woche vor der Saat abgeschleppt. Foto: Markus Rose, BioBörde GbR

Am 3. Juni 2022 wurden die Möhren mit einer Einzelkorndrille (Kverneland Accord MiniAir) gesät. Foto: Markus Rose, BioBörde GbR

Sommerdämme: Auch auf der Sommerdamm-Fläche wurde die Zwischenfrucht etabliert wie zuvor für den Winterdamm beschrieben. Diese wurde Mitte-Ende April mit dem Geohobel (Rath Maschinenbau) umgebrochen und nach etwa einer Woche flach gegrubbert. Am 9. Mai 2022 wurden die Dämme gefräst, bevor die Möhren am 3. Juni 2022 – zeitgleich mit der Winterdamm-Variante – gesät wurden.
Die Pflegebearbeitungsgänge (Hacken, Häufeln, Jäten) wurden nach Betriebspraxis und Bedarf durchgeführt, dabei wurde zwischen den Parzellen nicht unterschieden.

Ernte und Sortierung

Die Versuchsfläche wurde auf einem homogenen Teilschlag (Tallage, s. Versuchsskizze) beprobt. Pro Variante wurden 3 Quadratmeterernten durchgeführt, indem die Möhren von je 1,33 m laufende Reihe entnommen wurden. Die Möhren wurden am Hof entlaubt und gewaschen; je eine Laubprobe pro Variante wurde an Eurofins Agraranalytik zur Durchführung einer Komplexen Pflanzenanalyse (KPA) gesendet. Die gewaschenen und abgetrockneten Möhren wurden nach folgenden Kriterien sortiert: Übergrößen (> 4 cm Dicke), Untergrößen (< 2 cm Dicke oder < 10 cm Länge), beinige und anderweitig beschädigte/kranke Möhren. Die verbleibende Sortierung wurde als A-Ware deklariert. Alle so entstandenen Chargen wurden gezählt und gewogen.

Versuchsskizze

5. Der Versuch in Bildern

Sommerdamm (links) und begrünter Winterdamm (rechts) im Vergleich: Obwohl beide Varianten am gleichen Tag ausgesät worden waren, liefen die Winterdamm-Möhren deutlich schneller auf. Foto: Daniel Gärttling

Das Feld zum Zeitpunkt der Versuchsernte. Foto: Daniel Gärttling

Möhrenkörper und -kraut wurden getrennt. Foto: Daniel Gärttling

Eine zufällige Auswahl an A-Ware aus Sommerdamm (links) und Winterdamm (rechts). Obwohl in den Sortierungen ähnlich, weisen die Winterdamm-Möhren einen weniger gleichmäßigen Wuchs, stärkere Einschnürungen und ein kantigeres Erscheinungsbild auf. Foto: Daniel Gärttling

6. Versuchsauswertung

6.1 Verfahrensbewertung

Die Etablierung der Winterzwischenfrüchte in Dammtal und -krone war erfolgreich, aber nicht optimal. Durch den schlechten Auflauf war gerade bei der Mischung im Dammtal ein starker Besatz mit Klettenlabkraut festzustellen, was einen früheren Umbruchtermin erzwang als geplant.
Die Zwischenfruchtreste waren bei der Saat nicht hinderlich und zersetzten sich über den Saisonverlauf weitgehend. Durch die bessere Wasserführung im Winterdamm war die Jugendentwicklung der Möhren bei dieser Variante schneller, sodass eine geringere Auflaufbewässerung und ein Abflamm-Gang weniger nötig waren. Das Beikraut entwickelte sich bei beiden Varianten zu unterschiedlichen Zeitpunkten, sodass der Besatz bei einheitlicher Pflege unterschiedlich stark erschien, aber nicht direkt vergleichbar war. Der Pflegeaufwand war bei beiden Varianten ähnlich. Zum Erntezeitpunkt waren die Varianten weitgehend gleich entwickelt.

6.2 Ertrag und Sortierung

Der Bruttoertrag an Möhren war mit etwa 420 Dezitonnen pro Hektar (dt/ha) bei beiden Varianten vergleichbar, ebenso die Laubmenge (87 dt/ha). Die Sortierung schien im Sommerdamm etwas besser als im Winterdamm (Drei Prozent weniger Ausschuss, was 13 dt/ha entsprechen würde, vgl. Diagramm 1). Im Winterdamm waren sowohl absolut als auch in Bezug auf das Gewicht mehr verwachsene und beinige Möhren zu finden, außerdem waren Untergrößen deutlich stärker vertreten. Besonders interessant war der optische Unterschied zwischen den Varianten (Bild 4): Durch den stärker gesetzten und dadurch dichteren Damm waren die Winterdamm-Möhren kantiger, hatten stärkere Einschnürungen am Möhrenkörper und erschienen insgesamt weniger gleichmäßig. Die beobachteten Unterschiede betrafen keine preisrelevanten Kriterien.

 

Möhrensortierung

Winterdamm

Winterdamm (3 m2): Möhrenernte A-Ware.

Sommerdamm

Sommerdamm (3 m2): Möhrenernte A-Ware.

Sommerdamm (3 m2): Möhren in Übergröße. Beim Winterdamm kamen keine Übergrößen vor.

Winterdamm (3 m2): Möhren in Untergröße.

Winterdamm (3 m2): Beinige Möhren.

Winterdamm (3 m2): Sonstige Erkrankungen.

Sommerdamm (3 m2): Möhren in Untergröße

Sommerdamm (3 m2): Beinige Möhren.

Sommerdamm (3 m2): Sonstige Erkrankungen.

6.3 Nährstoffversorgung

Im Winterdamm war die N-Versorgung des Blattes leicht vermindert (Versorgungsstufe B statt C), dafür war die Mn-Versorgung besser (B im Winter-, A im Sommerdamm). Mangan ist in feuchten Böden besser verfügbar (Bergmann, 1983), was im generell besser wasserführenden Winterdamm (Bild 1) nachvollziehbar wäre. Die spätere Bodenbearbeitung und evtl. geringere Auswaschungen im Sommerdamm führten voraussichtlich zu einer höheren Mineralisation nach Winter und damit zu einer besseren N-Versorgung der Pflanze. Dies wurde aber wenn, dann nur in geringem Maße ertragswirksam.

Beide Parzellen wiesen zur Ernte Magnesiummangel im Blatt auf. Magnesiummangel ist ein bei Möhren häufig beobachtetes Phänomen (Buck, pers. Kommunikation); eine direkt damit verbundene Ertragsreduktion ist bisher nicht beobachtet worden. Ein Grund für einen induzierten Magnesiummangel könnte die hohe Kalium-Versorgung in Gemüsebaubetrieben sein, da zu viel Kalium im Boden die Aufnahme von Magnesium hemmen kann.  Durch eine Kalkung und die damit verbundene Anhebung von pH und Calcium-Versorgung lässt sich die Magnesiumverfügbarkeit verbessern (Bergmann, 1983).

7. Fazit und Ausblick

Auch wenn das Verfahren der begrünten Winterdämmen seit mehreren Jahren erprobt wird, beziehen sich die hier geschilderten Erfahrungen auf ein Anbaujahr in einer Versuchsanlage ohne räumliche Wiederholung. Um solide Aussagen über den Möhrenanbau auf Sommer- und Winterdämmen zu ermöglichen, sollte der Versuch über mehrere Jahre wiederholt werden.

Sommerdämme sorgen – auch auf schwereren Böden in einem trockenen Jahr ohne Bewässerung – bei vergleichbaren Erträgen für gleichmäßigere Möhren und eine leicht bessere Sortierung. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass die Wasserführung und Durchfeuchtung im Winterdamm allem Anschein nach besser ist: Da der Sommerdamm nach der Saat zwei zeitlich passende Regenschauer bekam, konnte er den Wachstumsvorsprung der Winterdamm-Variante aufholen – ohne diesen Regen hätte der Sommerdamm vermutlich schwächer abgeschnitten, bis zum Totalausfall. Das Anbauverfahren der begrünten Winterdämme wird auf dem Praxisbetrieb weiter für den Anbau von Lagermöhren optimiert. Daneben erscheint das Winterdamm-Verfahren besonders bei oberirdisch wachsenden Kulturen und Industriegemüse, bei dem die optische Qualität weniger relevant ist, attraktiv: Mögliche Folgeversuche könnten z.B. mit Industriemöhren oder Roter Bete durchgeführt werden.

Das Verfahren der begrünten Winterdämme ist speziell im Frühjahr arbeitsintensiver, da der Umbruch termingerecht mit wechselnden Maschinen erfolgen muss. Wenn der Aufwand für das Vorbereiten und Häufeln von Winter- und Sommerdamm als vergleichbar angenommen wird, ist der Mehraufwand allein im Dammzwischenfrucht-Umbruch (absätzig, zwei bis drei Arbeitsgänge) und der engeren Bestandsbegleitung der Zwischenfrucht begründet (passende Umbruchbedingungen).

Nicht auf allen Böden ist das Dämmeziehen im Frühjahr möglich; schwerere Böden neigen dann zum Klumpen und benötigen daher die Frostgare – oder, wie im vorgestellten Verfahren, eine Wurzelgare. Zwar sehen die neuen Konditionalitätsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik bei Dammkulturen in vielen Bundesländern Ausnahmen von der Mindestbodenbedeckung vor – doch allein aus Gründen des Erosionsschutzes und zur Förderung des Bodenlebens stellt das vorgestellte Verfahren eine interessante Alternative zum brachliegenden Winterdamm dar.

8. Weitere Infos

Bergmann, Werner (1983): Ernährungsstörungen bei Kulturpflanzen: Entstehung und Diagnose. VEB Gustav Fischer, Jena

Kontakt Regioberater

Daniel Gärttling

Daniel Gärttling
Tel.+49 2506 309-631
daniel.gaerttling(at)lwk.nrw.de

Letztes Update dieser Seite: 16.01.2024